Der Hessische Landtag ist heute zu einer weiteren Sondersitzung zusammengetreten, um in Dritter Lesung über das von der Landesregierung geplante „Sondervermögen“ – also einen ausschließlich schuldenfinanzierten Fonds von zwölf Milliarden Euro – zu beraten. Schwarzgrün gibt an, aus dem Schattenhaushalt Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise finanzieren zu wollen. Um das „Sondervermögen“ und die dafür erforderliche Ausnahme von der Schuldenbremse durchsetzen zu können, hatten CDU und Grüne zuvor das Ausführungsgesetz zu Artikel 141 der Hessischen Verfassung geändert: Der Landtag kann das Land nun mit einfacher Mehrheit (also mit der Mehrheit der anwesenden Abgeordneten) ermächtigen, neue Schulden zu machen. Ursprünglich war hierfür eine Zwei-Drittel-Mehrheit aller Mitglieder des Landtags erforderlich.
In der Plenardebatte heute warf der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Marius Weiß, den Regierungsparteien CDU und Grüne sowie der Landesregierung schlechten politischen Stil und haushälterische Intransparenz vor. Er forderte die Landesregierung auf, endlich zu konkretisieren, wofür sie den schuldenfinanzierten Schattenhaushalt verwenden wolle.
Weiß sagte: „Bei Schwarzgrün herrscht da totale Intransparenz. Öffentlich gibt es nur Ankündigungen, aber in dem Gesetz zum Sondervermögen steht keine einzige konkrete Umsetzung drin. Warum veröffentlichen sie eigentlich ihre sechsseitige Liste, über die schon in der Zeitung geschrieben wurde, eigentlich nicht? Ich kann es Ihnen sagen: Weil dann jeder sehen könnte, dass es bei Ihnen eben nicht nur um den Ausgleich von corona-bedingten Ungerechtigkeiten geht, sondern zum erheblichen Teil um ihre eigenen politischen Partikularinteressen.“
Alle Einwände gegen das „Sondervermögen“, die nicht nur von der parlamentarischen Opposition, sondern auch vom Hessischen Rechnungshof, dem Bund der Steuerzahler, dem Verband der Familienunternehmer und der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände vorgebracht hätten, habe Schwarzgrün ignoriert, kritisierte Marius Weiß. Er sagte: „Das Sondervermögen ist rechtlich unsicher, es ist intransparent, es kommt zu früh, da bereits in zwei Monaten die nächste Steuerschätzung kommt, und es verschiebt Macht vom Parlament zur Regierung. Es enthält keinen einzigen Satz zu Mehreinnahmen oder Minderausgaben – es besteht allein aus zwölf Milliarden neuen Schulden, von denen die Landesregierung nicht sagen kann oder nicht sagen will, was damit eigentlich passieren soll. Das ist in höchstem Maße unseriös.“
Dem Ministerpräsidenten warf Weiß vor, sich zu lange überhaupt nicht um einen Konsens über das „Sondervermögen“ gekümmert zu haben. Volker Bouffier habe sich erst zu Wort gemeldet, als sein Finanzminister und die Fraktionsvorsitzenden von CDU und Grünen die Verhandlungen mit SPD und Freien Demokraten bereits vor die Wand gefahren hätten. „Sie haben die politischen Lager in diesem Land nicht versöhnt, sondern gespalten. Sie sind der einzige der 16 Regierungschefs der Länder, der beim Thema ‚Corona-Hilfen‘ keine Einigung über Parteigrenzen hinweg zustande gebracht hat – und das das obwohl Sie hier die wahrscheinlich verantwortungsvollste Opposition der Republik haben“, so Marius Weiß an die Adresse des Ministerpräsidenten.
Nachdem die Regierungskoalition die Anforderungen an eine Zustimmung des Landtags zu neuen Schulden auf das absolute Minimum gesenkt habe, trage Schwarzgrün nun die alleinige Verantwortung für das Kommende. „Sie brauchen die Opposition nicht mehr für die Aussetzung der Schuldenbremse. Sie brauchen sie nicht mehr für Nachtragshaushalte. Und sie brauchen sie nicht für ein Sondervermögen. Das haben sie jetzt ganz alleine in der Hand. CDU und Grüne im Landtag haben auf dem Weg zu diesem Sondervermögen die Rechte des gesamten Parlaments beschnitten – auch ihre eigenen“, so Marius Weiß.